Wirft man bei großen Badmintonevents einen Blick auf den Teilnehmerkreis der Finalspiele, wird man in der Regel fast ausschließlich asiatische Spieler entdecken, mit einer kleinen Ausnahme: Dänemark. Aber wie gelingt es einem kleinen Land mit nicht einmal 6 Millionen Einwohnern seit Jahren mit den Supermächten China, Indonesien und Co. zu konkurrieren, die auf einen schier endlosen Pool an Spitzenathleten zurückgreifen können? Was macht dieses Land so besonders? In den vergangenen Tagen hatte ich das große Glück, die Trainingskultur am nationalen Elitestützpunkt, sowie in einem der renommiertesten Clubs des Landes hautnah erleben zu dürfen und Einblicke in die Gründe für den großen Erfolg der Skandinavier zu bekommen.
Teamgedanke trotz Individualsportart
Ein Trainer für 14 Topspieler aus fünf verschiedenen Disziplinen. So die herausfordernde Aufgabe für Dänemarks U19 Nationaltrainer Jesper Hovgaard, der das Training am Nationalstützpunkt in Brondby aufgrund der laufenden Korea Open und der Abwesenheit der beiden Cheftrainer aktuell allein anleitet. Zusammen mit einer kleinen Gruppen aus deutschen Coaches konnte ich bei einer Einheit Live dabei sein und trotz schwieriger Voraussetzungen bot sich uns eine bemerkenswerte Trainingssession.
Zum einen stach der individuelle Fokus heraus, der auf die Disziplin, die Saisonphase und die körperlichen Voraussetzungen eines jeden Spielers angepasst wurde. Zum anderen war es das gegenseitige Feedback unter den Athleten während der Übungen, das uns beeindruckte und für eine hohe Trainingsqualität auf allen Feldern sorgte, selbst ohne ständige Betreuung durch den Trainer. Wenn Weltklassespieler wie Mads Pieler Kolding ihren Übungspartnern, denen sie regelmäßig auch im Wettkampf gegenüberstehen ständig Technik- und Taktiktipps geben wird klar, dass es hier nicht darum geht, der beste in der Trainingsgruppe oder der beste in Dänemark zu werden. Ziel ist ganz klar die Weltspitze und je stärker die „Konkurrenz“ in der eigenen Trainingsgruppe desto besser, so die Mentalität der Spieler!
Dieses Denken und die hohe Selbstverantwortlichkeit der Athleten sind sicher Schlüssel, um das Maximum aus Trainingseinheiten herausholen zu können. Im Gespräch mit Jesper Hovgaard nach der Einheit hob dieser aber auch noch einmal hervor, dass der Grundstein für den großen Erfolg im Erwachsenenbereich davor gelegt wird und erst durch die große Menge an gut ausgebildeten Nachwuchsspielern ermöglicht wird.
Der Grundstein für Dänemarks Erfolg
Um dem genauen Grund für die Erfolgsgeschichte näher auf die Spur zu kommen, muss man also einen Schritt zurück gehen und sehen, was in den ersten Jahren der Karriere eines Viktor Axelsen oder einer Mia Blichfeldt passierte. Letztere begann ihren Werdegang im Badmintonverein Solrød, einem der größten Clubs Dänemark, mit über 20 beschäftigten Trainern und rund 800 Mitgliedern, darunter auch viele nationale und internationale Titelträger und Topsspieler.
Talentschmieden wie Solrød, aus denen Jahr um Jahr große Mengen an gut ausgebildeten Nachwuchsathleten kommen, sind in Dänemark keine Seltenheit. So ist es nicht verwunderlich, dass das Vereinssystem generell als der größte Faktor für den Erfolg des kleinen Landes gesehen wird. Von Seiten des dänischen Verbandes gibt es erst ab der Altersklasse U15 gezielte Förderungen und Maßnahmen für Topsspieler, da die gesamte Vorarbeit durch die Clubs mit herausragender Qualität erledigt wird.
Was macht aber nun diese Qualität für Training in jungen Jahren aus und wie können sich Vereine wie Solrød mit jährlichen Ausgaben im hohen sechsstelligen Bereich überhaupt finanzieren? „Meine erste Priorität im Training ist das soziale Gefüge und dass sich die Kinder im Verein wohl fühlen,“ erzählt uns Cheftrainer Preben Norgaard, welcher den Verein vor 26 Jahren quasi aus dem Nichts aufbaute und zu seiner heutigen Größe verhalf. Nur wenn die Kinder sich integriert fühlen und Freundschaften finden, kommen sie regelmäßig und mit Motivation zum Training. Das positive Klima und der große Zusammenhalt innerhalb des Vereins bilden letztendlich die Grundlage für den sportlichen Erfolg, so die Philosophie.
Zudem steht im Training vor allem der Prozess und nicht Ergebnisse im Vordergrund. „Natürlich freue ich mich, wenn Spieler von uns oder unserem Erstligateam Erfolge feiern, aber das ist nie das vorrangige Ziel unserer Arbeit,“ so Norgaard weiter. Im Training steht bei jedem Spieler der individuelle Fortschritt an erster Stelle und die Kinder sollen nicht nur in der sportlichen, sondern auch der persönlichen Entwicklung unterstütz werden. Dem letztendlichen Erfolg auf Turnieren tut diese Einstellung keinen Abbruch. Kaum ein Verein brachte in den vergangenen Jahren mehr Topsspieler hervor und konnte mehr nationale Titel in sämtlichen Altersklassen feiern.
Ein gutes soziales Klima und Prozessorientierung mag erst einmal nicht nach einem bahnbrechenden neuen Konzept klingen, doch die praktische Umsetzung, die wir dann nach einstündiger Talkrunde mit der Trainerikone beobachten durften, beeindruckte uns ganz besonders.
FUNdamentals und technische Grundausbildung
Vor allem die motorische und technische Grundausbildung bildet den zentralen Schwerpunkt des Trainings bei den jüngeren Athleten. Für die U11-U15 Spieler die wir beobachten konnten ging es in der ersten halben Stunde erst einmal in der Gymnastikhalle um allgemeine motorische Fähigkeiten, vorrangig mit koordinativ anspruchsvollen und abwechslungsreichen Bewegungsaufgaben sowie zahlreichen Partneraufgaben und Miniwettkämpfen. Bei jüngeren Spielern wird ein noch größerer Schwerpunkt auf diesen Teil abseits des Feldes gelegt, berichtet Norgaard.
Darauf folgten 60 Minuten Hallentraining mit klarem technischem Schwerpunkt, gepaart mit zahlreichen Teamspielen und Halbfeldwettkämpfen. Immer wieder höre ich von Trainern, man kann mit Kindern in einer Einheit nicht viel Technik trainieren, sonst verlieren sie die Lust am Badminton. Die 90 Minuten Training bestanden zu einem sehr großen Teil aus Techniktraining. Dank der Abwechslung, den Teamwettkämpfen und natürlich auch der motivierenden Art der Trainer war die Energie und Freude am Sport auf jedem Feld und in jeder Minute förmlich zu spüren.
Was macht den Unterschied und was können wir tun?
Die Strukturen in den Topvereinen in Dänemark sind ohne Frage beeindruckend und mit Sicherheit der Grundstein für den Erfolg der großen Stars im Erwachsenenbereich. Die große Dichte an dänischen Spielern in der Weltspitze ist aus meiner Sicht der Beleg dafür, wie entscheidend eine gute Grundausbildung zu Beginn einer Badmintonkarriere ist. Nicht nur Deutschland, sondern auch alle anderen europäischen Nationen liegen hier noch deutlich hinter dem Badmintonpowerhouse.
Doch Solrød ist auch ein sehr gutes Beispiel, dass selbst der größte Verein einmal ganz klein anfängt, mit der richtigen Philosophie aber alles möglich ist. Trainer haben hierzulande leider oft noch einen schweren Stand, erfahren häufig eine viel zu geringe Wertschätzung und verkaufen sich selbst auch häufig unter Wert. In anderen Ländern genießen sie inzwischen deutlich mehr Ansehen als hierzulande und ich hoffe, dass sich dieser Trend auch bei uns in der Zukunft noch mehr zeigt. Eine bessere Bezahlung und mehr hauptamtliche Trainer in Vereinen wären ein riesiger Schritt um die Lücke zu Topnationen zukünftig zu schließen.
Neben den Strukturen ist es denke ich aber auch die langfristige Denkweise in der Ausbildung, die Dänemark vom Rest abhebt. Ergebnisse interessieren erst in den höheren Altersklassen und sind in der Jugend niemals das primäre Ziel des Trainings. Wie bereits angesprochen geht es um den Prozess mit dem Ziel Spieler langfristig für Badminton zu begeistern und ihnen eine erfolgreiche Karriere im O19 Bereich zu ermögliche. Sicher sind Medaillen im Jugendbereich erfreulich und im Wettkampf geht es auch jedem Dänen natürlich darum, zu gewinnen. Sollte ein Jugendspieler aber seinen Trainingsprozess zurückstellen, um eine möglichst hohen Setzplatz durch viele Turnierteilnahmen zu erspielen? Nach dänischer Philosophie sicher nicht.
Sehr viele Eltern aber leider auch Trainer haben aus meiner Sicht oft den kurzfristigen Erfolg und Turnierresultate im Fokus und häufig sind Ergebnisse auch das zentrale Kriterium dafür, wer mit Kaderplätzen oder zusätzlicher Förderung belohnt wird. Am Ende entsteht ein Teufelskreis, der eine frühe Ergebnisorientierung mit sich bringt.
Fazit:
Kein europäisches Land hat mehr aktive Badmintonspieler als Deutschland und Sportschulen bieten eine großartige Möglichkeit, die schulische Ausbildung und Leistungssport zu verbinden. Die Potentiale sind riesig und es ist nicht verwunderlich, dass viele andere Nationen der Meinung sind, dass Deutschland aktuell deutlich hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt. Trotz der vielen Spieler ist die Zahl der Standorte, an denen eine richtig gute technische Grundausbildung möglich ist, zu gering, besonders wenn man den Vergleich zu Dänemark zieht. Athleten, die zu Sportschulen wechseln haben häufig noch große technische Defizite und müssen erst einmal umlernen oder sind andernfalls in einigen Bereichen später stark limitiert.
Aus meiner Sicht sollte es also das größte Ziel sein, Vereine und Trainer bei ihrer Arbeit und besonders im Aufbau von nachhaltigen Strukturen zu unterstützen, um langfristig mehr gut ausgebildete Talente zu erhalten. Ein Prozess der logischerweise Zeit benötigt und nicht von heute auf morgen passieren wird, einmal angestoßen könnte er aber die Zukunft des deutschen Badminton maßgeblich verändern.
7 Antworten
Eine klare und eindeutige Analyse, die für Kenner allerdings nicht neu ist!
Dem erfolgreichen Techniktraining wird meiner Meinung nach in der Trainerausbildung viel zu wenig Zeit gewidmet!
Dementsprechend SCHLECHT ist die Grundausbildung unserer Nachwuchs-Talente.
Und extreme technische Defizite beklage ich seit Jahren auch bei unseren Top-SpielerInnen; so können keine erstrebten Erfolge im Internationalen Bereich erreicht werden!
ja die Erkenntnisse sind für viele sicher nichts Neues und auch mir waren viele der Sachen vorher eigentlich schon bewusst. Besonders die Arbeit im Verein in Solrod zu sehen und zu spüren wie die Badmintonkultur dort gelebt wird war dann aber doch noch einmal etwas anderes als es nur aus Erzählungen zu hören und hat mich noch einmal extrem inspiriert und mir neue Impulse gegeben.
Nice reflextion Tobi.
Vielen Dank =)
„60 Minuten Hallentraining mit klarem technischem Schwerpunkt, gepaart mit zahlreichen Teamspielen und Halbfeldwettkämpfen.“ @Tobi: wärst Du so nett und würdest das ein bisschen detaillieren ?
Gab es genau einen technischen Schwerpunkt und wurde dieser in die Spiele integriert ? Oder wie hat das funktioniert ? Genau das geht mit jede Woche durch den Kopf… 😉
Hi Felix, der Schwerpunkt und die Übungen haben je nach Gruppe variiert. Bei den Jüngeren war es denke ich mehr allgemeine Bewegungsmuster vor allem beim Schalgen, also saubere Schwungbewegung mit Ellenbogeneinsatz, Unterarmrotation, Timing von Anspannung und Entspannung etc. Bei den Älteren ging es in der Einheit um Start ins Vorderfeld wo es dann auch schon mehr um taktische Aspekte, Rhythmus und Timing ging. Die Spiele dazwischen hatten nicht immer zwingend was mit den Themen zu tun, sondern sollten denke ich vor allem dafür zu sorgen, dass die Kids Spaß in der Gruppe haben, und sich danach wieder besser konzentrieren konnten. Die Trainer konnten so denke ich aber auch immer kontrollieren, welche Techniken bei den Kids schon so automatisiert sind, dass sie sie im Wettkampf anwenden können, ohne gezielt darauf zu achten oder darauf hingewiesen zu werden.
Danke Tobias, dass du dir die Zeit für eine so ausführliche Antwort genommen hast !
Jetzt kann ich es mir schon deutlich besser vorstellen.